„… wie einfach es ist, zu helfen“

Eindrücke von einer Reise nach Indien

Anlässlich unserer diesjährigen Kurban-Kampagne waren einige Islamic Relief-Mitarbeiter nach Indien gereist. Zunächst besuchte man gemeinsam Projekte im Raum Neu-Delhi, dann teilten sich die Gruppen zu den Kurbanverteilungen auf, wobei eine Gruppe von Kollegen in der Region Kalkutta, die andere in Südindien (Tamil Nadu) unterwegs war.
Hier berichten Linda Berk (Programmabteilung), Mohamad Ajami (Islamic Relief Kleiderkammer), Esra Özcan (Fundraising Köln) und Amin Hasanein (Fundraising München) über ihre Erfahrungen vor Ort. 

Ihr habt gemeinsam eine Kurbanreise nach Indien gemacht. Was ist nach eurer Ankunft passiert?

Linda: Wir sind in der Hauptstadt Neu-Delhi gelandet. Dort wurde uns erst einmal das Projektbüro von Islamic Relief in Indien gezeigt. Die Mitarbeiter vor Ort leisten alle ganze Arbeit, allen voran der Country Director Muhammad Akmal Shareef, der vor einigen Jahren die Arbeit von Islamic Relief vor Ort völlig neu strukturiert hat. Im Büro erfuhren wir einiges über die Entwicklung Indiens sowie die einzelnen von Islamic Relief betreuten Projekte, mit Fokus auf der Kurban-Kampagne.

Mohamad: Inzwischen erreicht Islamic Relief in Indien zusammen mit ihren 13 Partnerorganisationen 1 Million Menschen bei ihren Kurbanverteilungen. 4.125 Tiere wurden dieses Jahr zu Kurban geschächtet.

Amin: Für viele ist das Kurbanfleisch tatsächlich eine große Erleichterung, wie wir insbesondere bei den Kurbanverteilungen für die Menschen in der Region nahe der Grenze zu Bangladesch, die wir besucht haben, gesehen haben. Die Menschen dort halten sieselbst – wenn überhaupt - Enten, Hühner, Ziegen oder Schafe; „richtiges“ Fleisch erhalten sie aber tatsächlich nur einmal im Jahr durch die Kurban-Verteilungen.

Habt ihr vor Ort auch Waisenkinder getroffen?

Mohamad: Ja, wir haben einige Waisenkinder besucht. Derzeit werden 2.260 Kinder durch 1:1-Waisenpatenschaften von Islamic Relief in Indien unterstützt, mit aufsteigender Tendenz. Einzelne der Waisenkinder, die wir besucht haben, werden sogar von Islamic Relief Deutschland unterstützt. Es gibt aktuell etwa 400 Waisenkinder dort, die noch eine Patenschaft suchen. Wer dies liest und diesen Kindern helfen möchte, möge sich bitte bei Islamic Relief Deutschland melden.

Was hat euch besonders bewegt?

Esra: Für mich gab es interessante, schöne, aber auch traurige Momente. Mich begleiten gemischte Gefühle, wenn ich an die Reise zurückdenke. Mich haben vor allem die vorhandenen krassen Gegensätze zwischen Arm und Reich bewegt. Hochhäuser neben Slums … Mohamad und ich waren in einer besonders armen Gegend, wo wir die Möglichkeit hatten, eine Familie zu besuchen, die zu den Empfängern der Hilfe von Islamic Relief gehört.  Diese Menschen waren überwältigt, hatten teilweise Tränen in den Augen und haben sich überschwänglich bei uns bedankt. Auch wenn wir uns nicht verständigen konnten, haben sie durch Lächeln, Händedruck, Nicken und Verneigen ihren Dank ausgedrückt.  Durch diesen Besuch und andere wurde mir bewusst, wie arm diese Menschen wirklich sind, und wie einfach es für uns eigentlich ist, ihnen zu helfen. Es waren für mich sehr bewegende Augenblicke.

Mohamad: Da kann ich nur zustimmen. Man muss wissen, dass diese Menschen oftmals ein Zimmer bewohnen, das so breit und hoch ist wie zwei Hochbetten nebeneinander. Sie haben keine Matratzen, sondern lediglich ein Stück Stoff, auf dem sie schlafen. Die Toilette befindet sich auf dem Korridor. Ich erinnere mich noch gut an Frau Sultan. Sie ist 85 Jahre alt, blind und lebt mit ihrer Tochter zusammen, deren Mann gestorben ist. Die drei Kinder der Tochter sind ebenfalls verstorben, das letzte an einer kleinen Infektion, die leicht hätte behandelt werden können, wenn die medizinische Versorgung vorhanden gewesen wäre.

Welche Projekte habt ihr euch noch angeschaut?

Linda: Besonders interessant war die Arbeit der lokalen Partnerorganisationen. So wird zurzeit vor Ort ein Entwicklungsprojekt umgesetzt, das von Islamic Relief Großbritannien und der jährlichen Charity Week, an der sich auch Deutschland beteiligt, unterstützt wird und obdachlosen Menschen hilft. Allein in Neu-Delhi gibt es etwa 120.000 Obdachlose - meist Menschen, die aus der Perspektivlosigkeit des Landes in die Stadt geflohen sind, um dort Arbeit zu finden. Vielen geht es aber schlechter als auf dem Land und sie sind zudem oftmals mit Gewalt, Sucht und Krankheit konfrontiert. Auch wenn Indien gemeinhin als aufstrebendes Schwellenland gilt, hat ein großer Teil der verarmten Bevölkerung leider in keiner Weise daran Anteil.
Das Obdachlosen-Projekt umfasst zum einen die kostenlose medizinische Versorgung dieser Menschen und stellt zum anderen Notunterkünfte für sie bereit. Viele von ihnen sind gar nicht offiziell registriert, das heißt im Grunde gibt es sie gar nicht. Daher werden sie auch bei der Registrierung und Behördengängen unterstützt. Manche schaffen es durch diese Hilfe, von der Straße wegzukommen, einen Beruf zu erlernen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Solche Projekte möchte Islamic Relief Indien in Zukunft noch stärker fördern und ihren Partnerorganisationen zur Seite stehen.

Was nehmt ihr von eurer Reise mit?

Amin: Ich freue mich, dass ich als Fundraiser den Menschen von meinen Erfahrungen und Erlebnissen vor Ort berichten kann. Sie werden so ein klareres Bild davon erhalten, wohin ihre Spenden gehen und was damit passiert. Das ist so wichtig, um Islamic Relief auch weiterhin zu vertrauen.

Mohamad: Für mich ist diese Reise eine Erinnerung. Ich möchte den Menschen in Deutschland sagen: Hört auf zu meckern und euch zu beschweren – anderen geht es viel schlechter als euch. Sie haben nichts. Helft ihnen lieber! Diese Menschen haben sehr wenig – oftmals nur die Kleidung, die sie am Leib tragen und in schmutzigem Wasser waschen müssen, und ein wenig zu essen. Sie haben ein paar unbeschwerte und glückliche Momente mehr als verdient. Es war unglaublich, wie die Kinder sich über ein paar Luftballons und Kinderlieder gefreut haben.

Esra: Ich werde mich in Zukunft auf jeden Fall noch stärker für die Bedürftigen einsetzen und noch eifriger bei der Sache sein!

Linda: Ich freue mich auf neue Projekte, die wir in Angriff nehmen können, und darüber, dass die Arbeit vor Ort sich gemeinsam mit den Kooperationspartnern so positiv entwickelt.

Vielen Dank!