Die Geschichte von Ömer

Ömer, 13 Jahre, aus Erdbebenregion Türkei und Syrien

„Ich hörte, wie die Kinder unter den Trümmern weinten.”

Noch heute wird der 13-jährige Ömer von Schuldgefühlen geplagt: Warum überlebte er und nicht sein jüngerer Cousin und bester Freund Ismail? In der eiskalten Nacht im Februar, verlor Ömer nicht nur seinen Cousin und seine Eltern, sondern noch viele andere Familienmitglieder. Zu einer Familienfeier waren alle angereist; die beiden Cousins freuten sich auf die gemeinsame Übernachtung. Dann kam das Erdbeben. Ömer konnte gerettet werden, sein Onkel zog ihn aus den Trümmern. Doch sein Cousin Ismail war tot. Heute lebt Ömer, gemeinsam mit seiner Schwester, als Adoptivkind bei seiner Tante und seinem Onkel. Ömer möchte so gerne wieder Fußball spielen, wie früher, aber noch sind die Brüche nicht gut genug verheilt und zudem fehlt ihm sein Freund Ismail. Er weint sehr viel.

Zu einer Familienfeier waren alle in ihr Heimatdorf Kartanki angereist, auch Emine und Erdem mit ihrem Sohn Ismail. Es schneite und die Straßen waren glatt, so dass die Familie beschloss, über Nacht zu bleiben.

Ismail wollte nicht bei seinen Eltern schlafen, sondern unbedingt im Haus seines besten Freundes und Cousins Ömer übernachten. Sie hatten nichts dagegen, freuten sich die beiden Jungen doch, nach so langer Zeit wieder miteinander zu spielen. Doch weil Ömer in den letzten Tagen einen Albtraum hatte, dass er in der Nacht einen Stein in den Nacken bekommen und sterben würde, tauschte er, als sie zu Bett gingen, seinen Bettplatz mit seinem Freund.

„Unser Haus ist eingestürzt, sie sind alle darunter!”

Um kurz nach vier Uhr früh, erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,8 die Region.

Weinend schildert Mutter Emine (die Mutter von Ismail) die Nacht des großen Bebens: „Ich wachte plötzlich auf, weil alles wackelte und der Kessel mit dem heißen Wasser vom Ofen herunterfiel, und mein Bein verbrühte. Ich schrie und schüttelte meinen Mann vor Angst. Der Boden schwankte und wir liefen schnell hinaus. Alle Menschen schrien. Doch wir waren draußen und noch machte ich mir keine Gedanken um meinen Sohn. Aber da kam mein Neffe angelaufen und schrie: ,,'Unser Haus ist eingestürzt, kommt schnell, sie sind alle darunter!' Wir rannten los. Es war dunkel. Überall fielen Trümmer herab, es gab viele Löcher, durch die wir stolperten.”

Mit einem Vorschlaghammer aus den Trümmern gerettet

Ehemann Erdem erzählt mit stockender Stimme, immer wieder um Luft ringend und mit den Tränen kämpfend: „Als wir am Haus meines Bruders ankamen, sahen wir, dass es völlig eingestürzt war. Meine Frau schrie immerzu: ‚Mein Sohn, mein Schatz, wo bist Du?’ Ich hörte die Stimme seines Freundes rufen und begann sofort, mit den Händen Steine und Betonbrocken beiseitezuräumen. Ich hörte, wie Kinder unter den Trümmern weinten. Das war wohl als mein Bruder und seine Frau neben ihren Kindern starben. Inzwischen war es schon neun Uhr und noch immer wollte es nicht hell werden.” Seine Finger waren inzwischen blutig vom Graben. Dann fand er einen großen Vorschlaghammer und schlug damit auf die Trümmer ein. Immer wieder. Plötzlich sah er einen Fuß. Er dachte: „Da ist er ja, mein Sohn!”, aber es war dessen Freund Ömer. „Ich zog ihn heraus. Sein Fuß und sein Bein waren gebrochen.” Inzwischen waren Krankenwagen eingetroffen und sie brachten ihn ins Krankenhaus. Dann konnte Erdem auch seine Nichte Sultan herausziehen. Sie hatte glücklicherweise nur leichte Verletzungen. „Aber alle anderen konnte ich nicht mehr retten. Auch nicht meinen eigenen Sohn.”

Neun Familienmitglieder fanden in dem eingestürzten Haus den Tod: Darunter sein Bruder, zwei Schwägerinnen, zwei Neffen und sein zwölfjähriger Sohn Ismail. Nur Neffe Ömer und Nichte Sultan überlebten.

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In dem kleinen Dorf waren binnen weniger Minuten von 550 Häusern 380 zerstört und lagen in Trümmern. Es gab insgesamt 30 Tote – alles Verwandte – und Dutzende Verletzte.

Heute leben die 16-jährige Sultan und der 14-jährige Ömer gemeinsam mit Emine und Erdem. Die Kinder weinen viel und haben fast jede Nacht Albträume. Das junge Mädchen traut sich kaum aus dem Haus, ist in sich gekehrt und hat ihre frühere Unbeschwertheit vollkommen verloren. Krankenschwester zu werden, ist nun ihr Berufswunsch. Sie spricht nur mit ihren Cousinen, die ebenfalls ihre Eltern verloren haben, denn sie können ihr Leid verstehen.

Über Ömer sagt Emine, dass er so gerne wieder Fußball spielen würde, so wie früher, aber noch seien die Brüche nicht gut genug verheilt und zudem fehle ihm sein Freund Ismail. Er habe schlimme Schuldgefühle, weil er das Bett getauscht habe und deshalb Ismail und nicht er gestorben sei.

„Oh Gott, gib Keinem ein solches Schicksal, wie wir es erleben müssen”, klagt Emine weinend. Sie wünscht sich sehnlichst, dass die Kinder wieder glücklichere Zeiten erleben. Dafür möchte sie alles tun, was in ihrer Kraft steht. Und sie hofft: „Eines Tages werde ich wieder bei meinem geliebten Sohn Ismail sein.”