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„Ich möchte kranke Menschen heilen.“
Wie ihr Vater die Welt sah, wie er sprach oder lachte, weiß Fatima nur aus Erzählungen. Anders als ihre drei Geschwister hat die Neunjährige ihn nicht kennengelernt. Kann sie etwas vermissen, was sie nie hatte? Den Vater? Das Haus? Das Leben, in dem es keine Sorgen gab? Fatima sagt, ihr fehle nichts. Doch da ist eine Ahnung: „Fatima ist lebhaft und neugierig“, erzählt Mutter Hawaa. „Aber sie ist schnell eifersüchtig und streitet oft, weil sie genau das haben will, was die Älteren auch haben.“
Hawaa – 38, ernster Mund, durchdringender Blick – ist das harte Leben anzusehen. Sie musste die Schule früh verlassen. Sie hat geheiratet, Kinder bekommen, sich um die Familie gekümmert. Als ihr Mann Yousif an einer falsch behandelten Hepatitis starb, stand Hawaa vor dem Nichts: „Wir lebten bei der Familie meines Mannes. Dort mussten wir raus“, erinnert sie sich. Bis heute sei der Schmerz unbeschreiblich. „Wir waren nicht reich, aber es fehlt uns nichts. Plötzlich musste ich allein für vier kleine Kinder sorgen. Ich musste erst lernen, eine so große Verantwortung zu tragen.“
Heute lebt die Familie bei Hawaas 78-jährigen Mutter in Ombada, einem Armenviertel in Omdurman. Wohin das Auge reicht: Lehm, Sand und, in der Regenzeit, grün-brauner Schlamm. Auch Fatimas Zuhause ist ein trister Hof: zwei Zimmer, eine Latrine, keine Küche. Drei Bettgestelle stehen im Trockenen, drei unter einem undichten Wellblechdach vor der Tür. Wo Matratzen fehlen, haben sie Schnüre verwoben. Zum Essen breiten sie eine Matte auf der blanken Erde aus.
Wenn es, wie gerade, regnet, gibt es nicht viel zu tun. „Wir sitzen auf den Betten und warten, bis es aufhört“, Fatima zuckt mit den Schultern. Sobald der Schauer nachlässt, stürmt das Mädchen auf den Hof. Ihre Schwester zeichnet ein großes Rechteck auf den Boden, wirft einen Stein, schon hüpft sie, mal vorwärts, mal rückwärts, auf einem Bein hindurch. Mutter Hawaa sieht das mit Sorge. „Ich habe ich Angst, dass die Mauern im Regen zusammenfallen und meine Kinder verletzen.“
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Hawaa hat oft Mühe, für das Nötigste zu sorgen. „Wann immer ich zu Hause nicht gebraucht werde, versuche ich Arbeit zu finden.“ Sie richtet den Rücken auf. „Ich gehe putzen oder wasche Wäsche. Und ich unterrichte nebenbei.“ Das reicht für zwei einfache Mahlzeiten: Kisra, ein dünngebackenes Fladenbrot, mit etwas Soße. An Gemüse oder Fleisch sei nicht zu denken, winkt Hawa ab. Ohne die Hilfe ihrer Brüder könnte sie nicht überleben. „Am schwersten ist es, die Kosten für die Schule aufzubringen“, sie legt die Stirn in Falten.
Hawaa weiß: Eine gute Ausbildung ist für ihre Kinder die einzige Chance auf ein besseres Leben. Grund zur Sorge macht ihr Fatima nicht. Das Mädchen lernt fleißig. Doch seit die Älteste den Sprung auf die High School unerwartet nicht schaffte, lassen Hawa die schulischen Leistungen ihrer Sprösslinge keine Ruhe.
So beginnt auch Fatimas Tag früh. Noch vor dem Morgentee wiederholt sie ihre Lektionen und bereitet sich vor. Hawaa leitet sie so gut an wie möglich: „Ich erzähle oft von ihrem Vater. Ich denke laut und erkläre alles, was ich tue, damit sie versteht, worauf es im Leben ankommt.“ Mit Erfolg: Fatima weiß schon genau, was sie will: „Augenärztin werden“, sagt sie etwas verschämt. „Ich möchte kranke Menschen heilen.“