Ramadan, die beste Zeit im Jahr

Ein Gespräch über den Ramadan mit Dr. Mahmud Kellner

Anlässlich des Ramadans führten wir ein Interview mit Dr. Mahmud Kellner. Nun, zur Hälfte des Ramadans, teilen wir dieses Interview mit Ihnen.

Mahmud Kellner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Osnabrück im Fachbereich Islamische Theologie. Seine Vorträge bei islamischen Veranstaltungen in ganz Deutschland und anderen Ländern erfreuen sich zunehmender Bekanntheit.

Herr Dr. Kellner, welche Vorzüge hat der Ramadan für die Seele des Menschen?

Die materielle Welt ist wie ein Käfig, mit dem man sich nicht schmückt, sondern in dem man sich vorbereitet, in die Freiheit, in die nichtmaterielle Welt, zurückzukehren.

Das Fasten ist in einem gewissen Ausmaß einfach ein Abstand des Seins zu dieser materiellen Welt. Wir lernen unsere Verbindung zur materiellen Welt auf ein gewisses Minimum zu reduzieren, um uns der nichtmateriellen Welt zuzuwenden und dadurch Allah näher zu kommen.

Das Ziel des Ramadans, wie es im Quran steht, ist: Auf dass ihr gottesfürchtig, oder gottesbewusst, werden möget. Unsere Seelen sollen wieder bewusst auf Allah ausgerichtet werden. Der Mensch ist von seiner Natur her eine Mischung zwischen Engel und Teufel, hat die Veranlagung zu dem einen als auch zum anderen. Das wissen wir alle aus unserem eigenen Leben. Es ist natürlich, dass wir manchmal den Wegen des Schaytan folgen, aber andererseits ist das Ziel, immer wieder zu bereuen und uns wieder auf den Weg der Engel zu begeben – den Weg von Gottesbewusstsein, von Anbetung, von Nähe zu Allah.

Der Verzicht auf Essen und Trinken verändert das Leben auch insofern, dass man einfach plötzlich mehr Zeit hat. Man merkt gar nicht, wie viel Zeit es kosten kann, den Bedürfnissen nachzugehen. Dadurch hat man mehr Gelegenheit, mehr Zeit, sich dem eigentlich Wichtigen zuzuwenden.

Wie kann man den Nutzen des Ramadan maximieren?

Der Prophet, Friede und Segen auf ihm, sagt: Die Handlungen sind entsprechend ihrer Absicht. Die Absicht ist etwas großes, sehr tiefes, denn mein Inneres muss sich bewusst sein, was ich mache und für wen ich es mache. Das zweite sind dann die konkreten Schritte.

Das Schöne am Islam ist, dass er uns ein riesiges Spektrum bietet. Es gibt eine Basis, also das Mindestmaß, das ich erfüllen muss, und dann gibt es Stufen, die endlos sind. Das Mindestmaß ist, zu wissen, dass ich für Allah auf Essen und Trinken verzichte. Und dann gibt es weitere Stufen, und die höchste Stufe, die wir kennen, ist die, die der Prophet uns vorgelebt hat. Und wenn das Ziel des Ramadans ist, dass wir uns an Allah erinnern, dann ist alles, was uns an Allah erinnert, das Ziel im Ramadan, und alles, was uns davon abhält, etwas, worauf ich im Ramadan verzichten sollte. Dazu zählt das Essen an sich.

Das zweite große Problem ist das Fernsehen. Wenn man schon glaubt, nicht das ganze Jahr über auf das Fernsehen verzichten zu können, dann empfiehlt es sich, zumindest den Fernseher in den Keller zu stellen und die 30 Tage ohne Fernseher zu bleiben. Oder jetzt im moderneren Kontext Facebook zu deaktivieren.

Der Ramadan ist ein Negativgottesdienst in dem Sinne, dass im Ramadan im Mittelpunkt steht, etwas nicht zu tun. Jeder kennt sich selbst, und jeder muss überlegen: Was hält mich – abgesehen von Essen und Trinken – in meinem Leben vom Ziel der Taqwa ab?

Neben dem Verzicht geht es um Dinge, die in der Sunna festgehalten sind. Frühes Iftar und spätes Sahur, und natürlich das Tarawih-Gebet, möglichst in der Gemeinschaft. Viel Quran zu lesen, viel Istighfar zu machen (um Verzeihung zu bitten), wenig zu schlafen. Wir gehen nach der Prioritätenliste, die uns sozusagen in Quran und Sunna auferlegt wurde.

Weitere Dinge, die wichtig sind: Die Pflege von sozialen Beziehungen und Verwandtschaftsbanden; Menschen zu verzeihen, Probleme in der Familie beizulegen, zu lindern und Menschen zu versöhnen.

Welche weiteren sozialen Tugenden beinhaltet der Ramadan und wie kann man diese am besten umsetzen?

In einem Hadith heißt es, dass der Prophet der großzügigste aller Menschen war, und am großzügigsten war er im Ramadan.

Es gibt vielleicht keinen globaleren Gottesdienst als das Fasten im Ramadan, in dem man diese Gemeinschaft so sehr spürt. Warum? Weil wir wissen: Egal wo auf der Welt – die Leute fasten. Das ist ein schönes Gefühl, es erneuert immer wieder den Gedanken der Umma.

Das zweite ist das Erleben von Hunger. Die Reduktion des Materiellen stärkt auch die Solidarität mit Armen allgemein. Das Gefühl von Hunger, den wir hier erleben, ist klein im Vergleich zu dem, was andere Menschen tatsächlich an Hunger erleben.

Jeder kennt dieses Gefühl im Ramadan, die erste Dattel und den ersten Schluck Wasser. Das ist ein Genuss und Privileg der Umma, das niemand sonst erleben kann. Dadurch lernt man auch, Nahrung zu schätzen und zu respektieren.

Sich zu besuchen ist weiterhin eines der wichtigsten Dinge, ebenso wie das Geben. Es ist natürlich, dass die Menschen im Ramadan großzügiger werden, weil der Mensch sich mehr von der Materie zu Allah hin wendet. Was uns verlangt wird, ist nicht, dass wir uns von der Welt abkehren, sondern dass die Dinge ins Lot kommen.

Möchten Sie den Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?

Es ist überliefert: „Die Religion ist guter Umgang.“ Damit ist der Umgang mit dem Schöpfer und den Geschöpfen gemeint. Das sind zwei Grundlagen des Islam, und auch die zwei Hauptziele im Ramadan. Das Spenden und Helfen und die Solidarität von Menschen ist einer der großen Schlüssel für Barmherzigkeit. Islamic Relief ist eine der Organisationen, in der sozusagen diese Art von Barmherzigkeit und menschlicher Verantwortung in Form einer Organisation verkörpert ist. Und das zu unterstützen, ist eine Art von Gottesdienst.

Das wenigste, was wir tun können, ist Bittgebete zu sprechen für die Leute, die in diesem Bereich tätig sind, für Organisationen wie Islamic Relief, und für alle anderen, die Gutes tun.

Herr Dr. Kellner, ich danke vielmals und wünsche Ihnen und Ihrer Familie einen gesegneten Ramadan!

Interview: Tasnim El-Naggar

 

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