Öffentliche Antwort auf den Essay von Ahmad Mansour in „Die Welt“ vom 28. April 2021

Lieber Herr Mansour,

Sie plädieren für Demokratie, für Vielfalt, für Toleranz und einen offenen Dialog. Das gefällt uns. Sie warnen vor den Gefahren des politischen Islam. Das gefällt uns auch. Und Sie behaupten Islamic Relief Deutschland (IRD) sei ein Teil eben dieses politischen Islam. Das gefällt uns überhaupt nicht.

Als Beleg für Ihre These führen Sie die Behauptung an: „Islamic Relief gilt in Israel als Terrorfinanzierer.“ Hier fragen wir uns: Warum schreiben Sie das? Es gibt zwei möglich Antworten: Weil Sie es nicht besser wissen – was uns wundern würde, denn Ihrer Redaktion liegen alle notwendigen Informationen vor. Oder: Weil Sie absichtlich einen unzutreffenden Eindruck vermitteln wollen – was uns entsetzen würde.

Tatsache ist: Wir sind keine Islamisten. Wir sind keine Organisation der Muslimbrüder. Und wir lehnen jegliche Politisierung des Islam ab.

Tatsache ist außerdem: Mit Hilfe des israelischen Anwalts Avigdor Feldman, einem engagierten Bürger- und Menschenrechtsjuristen, klagen wir rechtlich gegen diese Verleumdung. Das israelische Verteidigungsministerium konnte im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vor dem Obersten Gericht in Israel keineswegs seine Auffassung aufrechterhalten, dass Islamic Relief den Terror der Hamas finanziert.

Sondern: Das israelische Verteidigungsministerium nahm Anstoß an humanitärer Hilfe im Gaza-Streifen. Nicht nur an unserer, sondern auch an der Hilfe, die andere (nicht-muslimische) Organisationen leisten. Warum? Weil man in Israel befürchtet, dass die Hamas daraus politisches Kapital schlagen und einen Imagegewinn bei der Bevölkerung erzielen könnte. Sind wir und die anderen Hilfsorganisationen nun etwa Islamisten? Nein!

Wir halten so etwas für eine ungerechtfertigte politische Instrumentalisierung humanitärer Hilfe und müssen derartige Entwicklungen leider immer öfter überall auf der Welt beobachten. Fast alle NGOs prangern das seit mehreren Jahren bei der UN an.

Eine weitere Tatsache, die sie verschweigen: Islamic Relief hilft seit 1996 in Gaza, also lange bevor die Hamas in Gaza an die Macht kam. Vor einigen Jahren haben wir sogar vom israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert ein Dankschreiben erhalten, in dem er sich für unsere Arbeit bedankte.

Tatsache ist zudem: Wir heißen Pluralität und Vielfalt nicht nur willkommen, sondern fördern beides weltweit. So kämpfen wir beispielsweise in mehreren Ländern Afrikas gegen die Beschneidung von Mädchen und gegen die von Ihnen zu Recht angeprangerten Kinderehen. Wir verstehen uns mit unseren internationalen Hilfsprojekten als Botschafterin eines modernen und demokratischen Deutschlands. Seit 25 Jahren leistet unsere Organisation weltweit lebensrettende Nothilfe und wichtige Entwicklungszusammenarbeit. Wer uns und unsere Arbeit kennt, schätzt uns!

So und nun habe ich in Ihren Augen sicherlich bewiesen, dass wir eine Organisation des politischen Islams sind. Richtig? Denn ich nutze, die Meinungsfreiheit in Deutschland (falls Die Welt diesen Text veröffentlicht), um andere vom Gegenteil Ihrer Aussagen zu überzeugen oder Partner und Unterstützter für die Position von Islamic Relief Deutschland zu gewinnen. „Eindeutig“ würden Sie wahrscheinlich sagen ein Beleg für die „islamistische Methode“. Oder stellen Sie vielleicht Ihre eigenen Aussagen in Frage?

Sehr geehrter Herr Mansour, Sie stellen fest, dass in der öffentlichen Diskussion „inhaltliche Sachlichkeit keine Rolle mehr spielt“. Damit haben Sie leider Recht. Aber was schlagen Sie vor, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen?

 Wir schlagen vor, die Fakten zu würdigen und keinen Unfrieden zu säen. Wir schlagen vor, den sachlichen Dialog zu führen. Konkret: Lassen Sie uns nicht übereinander reden, sondern miteinander. Wir laden Sie ein: Lernen Sie uns kennen! Wir haben mehr gemeinsam, als Sie denken. Und ganz bestimmt können Sie mit Ihrem Knowhow zu Demokratieförderung und Extremismus-Bekämpfung einen wertvollen Beitrag zur Arbeit von Islamic Relief Deutschland leisten. Wir würden uns freuen.

 

Tarek Abdelalem

Geschäftsführer

Köln, den 29.04.2021