Humanitäre Not in Afghanistan: Die Hungerkrise verschlimmert sich täglich

Dringender Appell für Ermöglichung humanitärer Hilfe in Afghanistan

Insbesondere Frauen in Afghanistan müssen tagelang ohne Nahrung auskommen, da sich die Hungerkrise des Landes von Tag zu Tag verschlimmert, warnt Islamic Relief.

Viele Menschen vor Ort verzweifeln immer mehr, da die Lebensmittel knapp werden, die Preise in die Höhe schnellen und die Arbeitslosigkeit steigt. Weil mindestens 12 Millionen Menschen mit extremer Hungersnot konfrontiert sind und mehr als 3 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot stehen, ist es unbedingt erforderlich, dass Nahrungsmittel und andere wichtige Hilfsgüter die Gemeinden sofort erreichen, sonst könnte die Zahl der Todesopfer katastrophal sein.

Nahrungsmittel sind in ländlichen Gebieten besonders knapp, wobei Berichte über eine zunehmende Unterernährung und Todesfälle unter den am stärksten Gefährdeten zu verzeichnen sind. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet, wobei Frauen in der Regel die Bedürfnisse ihrer Familien über ihre eigenen stellen. Familien schöpfen ihre letzten mageren Ersparnisse aus, um sich eine Mahlzeit zu kaufen. Menschen betteln auf der Straße um Essen und immer mehr Familien verschulden sich hoch, nur um Lebensmittel zu kaufen.

Mohammed Hamid Sattai, Programmkoordinator für humanitäre Hilfe von Islamic Relief in Afghanistan, berichtet aus Afghanistan:

Die Ernährungssituation ist katastrophal und wird von Tag zu Tag schlimmer. Die Geschäfte haben endlich wieder geöffnet, aber die Preise sind in etwas mehr als einer Woche um 10 bis 20 Prozent gestiegen. Früher konnten die Menschen kaum Essen auf den Tisch stellen, aber jetzt essen viele Familien nur noch eine Mahlzeit am Tag, und viele Frauen und Kinder bekommen nicht einmal diese.

„Frauen in armen Familien essen ohnehin oft zuletzt und am wenigsten, aber wenn das Essen knapp wird, nehmen die Frauen immer weniger zu sich und haben in manchen Fällen gar nichts zu essen. Wenn es für die Mutter keine Mahlzeit gibt, gibt es für die Kinder noch weniger zu essen. Dies führt zu langfristigen gesundheitlichen Komplikationen. Die anhaltende Unsicherheit führt dazu, dass die wichtigsten Hilfsmaßnahmen trotz des wachsenden Bedarfs eingefroren bleiben. Wenn nicht bald dringende Maßnahmen ergriffen werden, um die Bedürftigen mit Lebensmitteln zu versorgen, werden wir eine Flut anämischer (blutarmer) Mütter und stark unterernährter Kinder sehen“.

 „Wir sehen bereits Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie Geschäfte bitten, ihnen übrig gebliebene Blätter von Gemüse zu geben, die sie normalerweise nicht verkaufen. Die Menschen pflücken Blumen, um dünne Suppen zuzubereiten.“

Die Hälfte aller Kinder unter 5 Jahren in Afghanistan wird 2021 an akuter Unterernährung leiden

Schon vor der aktuellen Krise litten Menschen in weiten Teilen Afghanistans unter starkem Hunger aufgrund von Dürre, anhaltender Unsicherheit und der Covid-19-Pandemie, die noch mehr Menschen in die Armut drängte. Die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren wird in diesem Jahr voraussichtlich an akuter Unterernährung leiden, doch der UN-Finanzierungsaufruf für humanitäre Hilfe für 2021 ist nur zu 37 Prozent finanziert.

Aktuell verschlimmert sich die Situation rapide und es wird erwartet, dass die Lebensmittelpreise aufgrund von Marktstörungen und Grenzschließungen noch weiter steigen. Die derzeitige Unsicherheit führt dazu, dass humanitärer Zugang extrem eingeschränkt ist und Hilfsorganisationen viele der bedürftigsten Menschen nicht erreichen können.

Fast 600.000 Menschen sind in diesem Jahr aus ihren Häusern geflohen, darunter viele, die in den letzten Wochen nach Kabul geströmt sind. Viele der Neuankömmlinge sind dort ohne Hilfe und verweilen unter extrem einfachen Bedingungen, wobei die Bedrohung durch Durchfall und andere durch Wasser übertragene Krankheiten wächst.

Tarek Abdelalem, Geschäftsführer von Islamic Relief Deutschland, zur humanitären Situation:

„In Afghanistan bahnt sich nach Jahren des Konflikts und des Klimawandels eine humanitäre Katastrophe an. Lebensmittel und andere lebenswichtige Hilfe müssen unbedingt bei den Menschen ankommen, die sie dringend brauchen. Wir fordern alle Seiten auf, sicherzustellen, dass alle humanitären Helfer frei und sicher arbeiten können und der humanitäre Zugang nicht eingeschränkt wird.“ Er fordert außerdem:

„Internationale Geber müssen die Hilfsmaßnahmen dringend mit neuen Mitteln und stärkerer Unterstützung für humanitäre Hilfe verstärken. Sie müssen sicherstellen, dass die Menschen in Afghanistan in diesem entscheidenden Moment nicht vergessen werden.

 „Islamic Relief arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Afghanistan. Als Hilfsorganisation mit humanitärem Auftrag setzen wir uns voll und ganz dafür ein, zu bleiben und Zehntausenden von Menschen in Not eine lebensnotwendige Hilfe zu bieten.“

Islamic Relief hat einen Notruf in Höhe von 5.8 Millionen Euro gestartet, um schutzbedürftigen Menschen in Kabul, Balkh, Herat und Nangarhar so schnell wie möglich Hilfe zu leisten. Die Ersthilfe umfasst Lebensmittelpakete, Hygienesets, Notunterkünfte und andere lebensnotwendige Vorräte.

Anmerkungen und Fakten

Nach den neuesten UN-Prognosen vom Juli sind mehr als 12 Millionen Afghaninnen und Afghanen mit einer extremen Hungerkrise konfrontiert, darunter 3.5 Millionen Menschen, die am Rande einer Hungersnot stehen.

Islamic Relief ist seit 1999 in Afghanistan tätig und leistet Nothilfe und langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Unsere Projekte in Afghanistan umfassen die Reaktion auf die Covid-19-Pandemie, die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, die Behandlung unterernährter Kinder, die Unterstützung der Alphabetisierung von Frauen und der wirtschaftlichen Stärkung von Frauen, die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und die Unterstützung der Rehabilitation von Drogenkonsumenten.

 

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