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Laut dem Human Development Index (HDI) sind 48,9 Prozent der 18,5 Millionen Einwohner Malis unter 15 Jahre. Frauen und Kinder in Mali sind unverhältnismäßig stark von langanhaltenden Krisen und (wachsenden) humanitären Bedarfen betroffen. Früh- und Zwangsheirat sind weit verbreitet - 52 Prozent der in Mali geschlossenen Ehen fallen hierunter, wobei Mädchen besonders betroffen sind. Schwangerschaften im jungen Alter und die daraus folgenden Schulabbrüche führen zur finanziellen Abhängigkeit sowie körperlichen und psychischen Erkrankungen. Knapp 35 Prozent der Frauen in Mali haben bereits Gewalt erlebt, die von einem Intimpartner verübt wurde. Ebenfalls ist die weibliche Genitalverstümmelung (FGM/C) in Mali weit verbreitet. Die Beschneidungsrate liegt in der Region Koulikoro über 95 Prozent. Weibliche Beschneidung wird praktiziert, um kulturelle Traditionen zu wahren, vermeintlich religiöse Gebote einzuhalten oder die weibliche Sexualität zu kontrollieren. Diese Praxis birgt erhebliche körperliche und psychische Kurz- und Langzeitrisiken wie Blutungen, Infektionen, Komplikationen bei der Geburt, und sie kann zum Tod führen.
Im Rahmen des Projektes werden in Kooperation mit World Vision die Maßnahmen zum Kindesschutz und zur Reaktion auf geschlechtsbezogene Gewalt (GBV) in Glaubensgemeinschaften durch einen glaubensbewussten und kulturell angemessenen Ansatz gestärkt. Wichtige Persönlichkeiten und Interessenvertreter der Gemeinden (v.a. religiöse und traditionelle Akteure) werden zu den Themen Kindesschutz, Prävention und Reaktion auf geschlechtsspezifische/ häusliche Gewalt und weibliche Genitalverstümmelung (FGM/C) geschult, um sie als Vermittler für Verhaltensänderungen in ihren Gemeinden zu etablieren.
Land: Mali
Ort: 10 Dörfer in der Region Koulikoro
Begünstigte: 2.000 Personen und ihre Familien & Gemeinden
Projektziel: Maßnahmen zum Kindesschutz (CP) und zur Reaktion auf geschlechtsbezogene Gewalt sind in Glaubensgemeinschaften durch einen glaubensbewussten und kulturell angemessenen Ansatz gestärkt.
Gesamtkosten: 104.651,02 Euro mit einer Förderung von 99.999,82 Euro (Geber: Deutsche Gesellschaft für International Zusammenarbeit GmbH, GIZ)
Finanzierung: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie Eigenmittel
Projektdauer: 01.12.2019 – 31.12.2020
Implementierungspartner: Islamic Relief Mali (in Kooperation mit World Vision)
Die Maßnahmen zum Kindesschutz und zur Reaktion auf geschlechtsbezogene Gewalt in Glaubensgemeinschaften sollen durch einen glaubensbewussten und kulturell angemessenen Ansatz gestärkt werden.
Diese wurden u.a. erreicht durch:
1. Adaption und Umsetzung des von World Vision entwickelten, innovativen methodischen Ansatzes „Channels of Hope“ für muslimische Gemeinschaften, mit dem Ziel der Reduzierung und Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, insbesondere Genitalverstümmelung
2. Verbesserung der Kenntnisse, Einstellungen und Praktiken von Glaubens- und Gemeindeführerinnen und -führern; dazu Bildung und Schulung von sogenannten CHAT-Gruppen (Community Hope Action Teams) mit dem Ziel der Aufklärung über geschlechtsspezifische Gewalt und Kindesschutz
3. Verbesserung der Kenntnisse und Entwicklung von Präventionsmaßnahmen innerhalb der betroffenen Glaubensgemeinschaften hinsichtlich GBV, insbesondere weibliche Genitalverstümmelung, durch die CHAT-Gruppen
Geplante Ergebnisse:
1. Maßnahmen zum Kindesschutz (einschließlich weibliche Genitalverstümmelung) als auch die Prävention und Reaktion auf GBV wurden in den betroffenen Gemeinden verbessert.
2. Glaubensbasierte Ansätze zu Schutzmaßnahmen wurden aktiv umgesetzt
Mit dem "Channels of Hope"-Ansatz mobilisierte Islamic Relief 40 religiöse und traditionelle Autoritäten (davon 18 Frauen) als Faciliatoren in den Modulen Child Protection und Gender, um auf soziale Probleme einzugehen, die ihre Gemeinden betreffen. Channels of Hope ist ein interaktiver Prozess, der - von der eigenen Erfahrung ausgehend - das Herz bewegt, den Geist informiert und zu einer nachhaltigen Diskussion beigetragen hat. Grundlage war die genaue Betrachtung des Korans und der Bibel und die Bewusstmachung, dass FGM/C eine traditionelle, aber nicht religiös vorgeschriebene Praxis ist.
Parallel mobilisierte Islamic Relief zehn Gruppen von Hoffnungsträgern (sogenannte Community Hope Action Teams), die umfassend geschult wurden, um Aktionspläne zum Kindesschutz und der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt umzusetzen. Dabei konnte nicht nur der interreligiöse Dialog und der zwischen Jung und Alt gefördert werden, sondern es werden nun Tabu-Themen kontrovers diskutiert und Maßnahmen ergriffen, um FGM/C ein endgültiges Ende zu setzen.
Was Islamic Relief u.a. noch bewirkt hat:
• 60 Mütter haben ihre Kenntnisse zu Kinderrechten, Risiken von FGM/C und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgebaut; sie haben ihr Wissen bereits an 800 Frauen weitergegeben
• 50 Champions wurden in den Dörfern zur Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt in ihren Kapazitäten gestärkt
• Awareness Raising Veranstaltungen zusammen mit Ärztinnen und Ärzten umgesetzt, um die Risiken von FGM/C zu erläutern; Information zu COVID-19-Prävention
• 4500 Kinder ohne Geburtsurkunden wurden identifiziert; die Ausstellung von 900 Geburtsurkunden wurden umgesetzt
• Die Zwangsarbeit von 372 Kindern wurde gestoppt
• 110 themenbezogene Predigten wurden abgehalten
• 249 geplante Frühehen wurden gestoppt
• 376 Mädchen wurden vor Genitalverstümmelung bewahrt
• Es wurde eine Konvention zur Beendigung von FGM/C von den Bürgermeistern unterschrieben. 56 Praktizierende haben darin bekräftigt, das Messer niederzulegen
• Durchführung von Workshops mit einflussreichen Interessenvertretern (einschließlich Glaubensführern und ihren Ehepartnern) zu den muslimischen Leitprinzipien zu GBV und Kindesschutz
• Entwicklung eines Aktionsplans zur Koran- und Hadithlehre mit den Schwerpunkten GBV, Kinderrechte und Kindererziehung
• Ernennung von Glaubensführern und Gemeindemitgliedern, die in den Gemeinden identifiziert werden, um die Anliegen Kindesschutz und geschlechtsspezifischer Gewalt voranzutreiben
• Mobilisierung von Stakeholdern zur Durchführung von Sensibilisierungskampagnen in ihren Gemeinden zu geschlechtsspezifischer Gewalt und Kindesschutz (einschließlich FGM/C) und Bereitstellung von kontextangepassten Schulungsmaterialien für Vermittlern/innen/Faciliatoren* zur Verwendung in Kampagnen
• Sensibilisierung von Müttern für Kinderrechte, positive Disziplin vs. Bestrafung, Rollen der Eltern, häusliche Gewalt und ihre Nachteile für die Erziehung von Kindern
*Faciliatoren sind in den Gemeinden ausgewählte Glaubens- und Gemeindeführer, die im Curriculum Channels of Hope durch das Projekt ausgebildet werden. Als Faciliatoren geben sie dann ihr Wissen an weitere Gemeindemitglieder weiter, sozusagen als “Train-the-trainers”.
Religiöse und traditionelle Akteure prägen das Denken und Handeln vieler Menschen und haben einen großen Einfluss und damit ein hohes Potenzial beim Thema Gleichberechtigung der Geschlechter eine Veränderung zu bewirken. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Bereich auch die Ambivalenz, die Religion birgt: Es gilt mit der Herausforderung und dem Risiko umzugehen, dass gerade religiöse und traditionelle Akteure patriarchale Traditionen und Muster verstärken und damit Prozesse zur Gleichberechtigung der Geschlechter bremsen. Trotzdem zeigt die Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass es wichtig ist – im Wissen um diese Ambivalenz – das Potenzial religiöser und traditioneller Akteure gezielt zu nutzen, schließlich spielen sie eine wichtige Rolle als Wissensvermittler für ihre Gemeinschaften und sind häufig hoch angesehene Autoritätspersonen in der Gesellschaft. Gerade hinsichtlich einer Minderung und Veränderung von Geschlechtsstereotypen sowie der Aufklärung über schädliche traditionelle Praktiken, wie z.B. weibliche Genitalverstümmelung, hat die Zusammenarbeit mit religiösen und traditionellen Akteuren deshalb eine hohe Wirksamkeit gezeigt.
Botschaft von K.C.:
„Ich möchte meine aufrichtige Wertschätzung gegenüber Islamic Relief aussprechen, ein solches Projekt in unserer Gemeinde initiiert zu haben. Es ist bekannt, dass in unserem Dorf Komittan Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Mädchen- und Kinderrechtsverletzungen täglich vorkommen. Die meisten von uns begehen diese aus Unwissen oder aus Mangel an Informationen. Wir alle folgen dem, was unsere Tradition und unsere Kultur uns diktieren, ohne nach den Gründen zu fragen, warum wir es tun. Von Generation zu Generation sind wir einander blind gefolgt und haben Praktiken ausgeübt, ohne zu wissen, welche Folgen sie haben.
Als Glaubensführer habe ich diese schädlichen Praktiken verübt/ausgeübt, weil ich dachte, dass ich aus religiösen Gründen richtig gehandelt hätte. Doch dank dieses Projekts, das sich an Glaubensführer wandte- um Veränderungen in Bezug auf die Gewalt und die Praktiken herbeizuführen, die wir fälschlicherweise gegen Frauen verüben- ist mir jetzt klargeworden, dass ich ein großer Sünder war. Warum ich mich selbst als großen Sünder bezeichne? Ich habe gelernt, dass der Islam strikt Gewalt und Folter an jedem Wesen, jeder Kreatur verbietet. Dennoch habe ich diese Gewalt ausgeübt, da ich vielen Mädchen und Frauen in unserer Gemeinschaft Schaden zugefügt habe, indem ich befürwortet habe, ihre Genitalien zu verstümmeln. Einige von ihnen waren wegen der Schmerzen und Folter, die sie dabei erlitten haben, dem Tod nahe.
Nachdem ich im Rahmen des Projektes an den Sitzungen zu den muslimischen Leitprinzipien teilgenommen habe, bedauere ich aufrichtig, was ich den Mädchen angetan habe. Deshalb habe ich nach dieser Sitzung meine Meinung geändert und möchte auch die anderen Glaubensführer auffordern, ihre Meinung über die Praxis von FGM zu ändern. Ich werde keine meiner Töchter mehr zu dieser Praxis schicken, ich verpflichte mich, diese Praxis in meiner Familie zu verbieten. Und ich werde in meinen wöchentlichen und monatlichen Predigten öffentlich dagegen predigen und Aufklärungssitzungen durch Juma Hutbas/Freitagspredigten/ Predigten am Freitagsgebet durchführen. Die Trainingseinheit hat mir bewusstgemacht, dass die Praxis von FGM sowie jegliche Gewalt gegen Frauen nichts mit Religion zu tun hat. Darauf baue ich auf und lade alle Führer des Glaubens und der Gemeinschaft ein, sich an mir ein Beispiel zu nehmen.
Ich musste erst 45 Jahre alt werden um zu erkennen, dass ich falsch gehandelt habe; aber es ist einem einfachen Projekt zu verdanken, dass ich nun meine Fehler erkannt habe. Mir fehlen die richtigen Worte, um der Organisation und dem Geber dieses Projektes zu danken… Ich empfehle diesen, dieses Projekt für viele Jahre und in viele andere Dörfer umzusetzen, damit alle Gemeinden aufgeklärt werden und sich für die Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen."